Ein Gespräch mit Doris Traudt
In meinem heutigen Blogartikel geht es auch um Internationalisierung, allerdings nicht im Unternehmen sondern welche Auswirkungen es hat, wenn Mitarbeiter ins Ausland geschickt werden, um dort den Markt zu erschließen. In großen Unternehmen oder beim Auswärtigen Amt stehen diese Entsendungen auf der Tagesordnung. Für die betroffenen Mitarbeiter bedeutet das nicht nur, dass sie auf eine neue Arbeitsumgebung und ein neues Aufgabengebiet treffen, sondern die Zeit in einem anderen Land bzw. anderen Kultur prägt das Leben der Familien nachhaltig.
Dank des Unternehmerinnen-Netzwerks W.I.N hatte ich die Gelegenheit, Doris Traudt kennenzulernen und mehr über ihre Arbeit als Coach für hochmobile Familien zu erfahren. Ihr besonderes Augenmerk gilt mitreisenden (Ehe-) Partnern und den Kindern in diesen Familien. Was es bedeutet, Teil einer hochmobilen Familie zu sein hat sie selbst erlebt, als sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Südafrika wohnte. 2010 kehrten sie von dort zurück. Heute lebt Doris Traudt mit ihrer Familie in Karlsruhe. Mehr zu ihrer Tätigkeit erfahren Sie hier auf Ihrer Webseite I am home.
In einem Gespräch habe ich mehr über ihre eigenen Erfahrungen als Expat erfahren dürfen, was der Auslandsaufenthalt für ihren Sohn bedeutet hat und welche Tipps sie geben kann, wenn ein solcher Schritt in der Familie ansteht.
In Deiner Berufsbezeichnung taucht der Begriff „hochmobile Familien“ auf. Was verbirgt sich genau dahinter und wer gehört dazu?
Es handelt sich um Menschen, die zeitweise nicht in ihrem Heimatland leben (Flüchtlinge ausgenommen. Weltweit sind es mehr als 200 Millionen Menschen. Wie viele Deutsche nun im Ausland leben, – die sogenannten ‚Expatriates‘ oder auch ‚Expats‘-, ist gar nicht so leicht zu beziffern. Zwar meldet das Statistische Bundesamt, dass jährlich mehr als 140.000 Deutsche das Land verlassen (fast genauso viele kommen auch wieder zurück), aber nicht jeder Expat meldet sich für die Zeit seines Auslandsaufenthaltes in Deutschland ab. Vermutlich leben aber mehr als 2 Millionen Deutsche zumindest zeitweise im Ausland, und die Anzahl steigt von Jahr zu Jahr. Das hat vor allem mit Veränderungen in der Arbeitswelt zu tun. Immer mehr Firmen schicken Mitarbeiter für ein paar Jahre ins Ausland, und viele nehmen ihre Familien mit. Der Trend, mit Familie rauszugehen hat sich in den letzten Jahren verstärkt.
Du hast Dich auf die Beratung dieser Familien, insbesondere der Frauen und Kinder spezialisiert und warst ja selber einige Jahre im Ausland. Welche eigenen Erfahrungen hast Du gemacht?
2005 sind mein Mann und ich mit unserem Sohn nach Südafrika gezogen. Ich kann mich erinnern, wie meinem Mann die Tränen kamen, als wir mit unserem damals 9-jährigen Sohn zum ersten Schultag in Johannesburg gingen. Es schien uns ein größerer Schritt zu sein, unseren Sohn auf eine ausländische Schule zu schicken, als auf eine deutsche. Es war auch in Johannesburg eine Waldorfschule, wie es zuvor in Deutschland ebenfalls eine Waldorfschule gewesen war. Aber: jetzt war sie englischsprachig. Wir waren mutig und verzweifelt, hatten keine Ahnung, ob das nun wirklich die richtige Entscheidung war, hierher gezogen zu sein. Wir ahnten irgendwie, dass die Zeit an einer südafrikanischen Schule unseren Sohn verändern würde. Dass er aber zu einem sogenannten ‚Third Culture Kid‘ werden würde, zu einem ‚Drittkulturkind‘, das wussten wir nicht. Drittkulturkinder entwickeln sich etwas in der Kultur ihres Herkunftslandes, und sie übernehmen ebenso etwas die Kultur ihres Gastlandes. Sie entwickeln so eine ganz eigene Lebenskultur. Solche Kinder sprechen nach der Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt meistens noch gut deutsch, werden aber von Kindern, die Deutschland nie verlassen haben oft nicht so richtig verstanden. Treffen Drittkulturkinder aber auf andere Drittkulturkinder, verstehen sie einander sofort.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich jüngere Kinder sehr schnell auf neue Situationen einlassen und schneller neue Freunde finden. Wie war das bei Euch?
Das ist richtig. Jüngere Kinder haben es dabei leichter als ältere. Sie lernen die Sprache des Gastlandes schneller, sie lassen meistens nicht so viele enge Freunde zurück, sie sind noch nicht so eng an eine Schulwelt gebunden. Unserem damals 9-jährigen Sohn war allerdings schon beim Rausgehen schmerzlich bewusst, dass er von da an neue Freundschaften aufbauen würde, von denen er sich nach ein paar Jahren aber wieder verabschieden werden müsse. Unser Sohn hat sich sehr gut an die neue Situation gewöhnt und davon profitiert. Nach 2 Jahren sprach er fließend englisch, besser als deutsch.
Worauf sollte man schon in der Vorbereitungsphase achten um das Einleben in der neuen Kultur zu erleichtern? Welchen Tipp kannst Du diesen Familien geben?
Ich halte eine gute Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt für die Kinder schon vor der Ausreise für wichtig. Sie sollten schon lange vor dem Abreisetag in den Wechsel miteinbezogen werden. Sie brauchen auch dann schon ein Gefühl der Sicherheit: die Großeltern wohnen weiterhin am gewohnten Ort; wir werden sie besuchen kommen. Feste Rituale einen die Familie, geben den Kindern Halt.
Die erste Zeit im neuen Land ist die Zeit der Euphorie: Ankunft im neuen Land, ein anderes Wetter, eine andere Sprache, anderes Essen. In dieser Phase geht es Eltern wie Kindern meistens gleichermaßen gut. Der Umzugswagen kommt, ein neues Haus, eine neue Wohnung wird eingerichtet. Großes Abenteuer: die neue Schule, neue Klassenkameraden. Hier werden die Kinder unterschiedlich reagieren: manche werden leicht Anschluss finden, vergessen schnell die in Deutschland gebliebenen Freunde. Andere brauchen noch intensiven Kontakt mit ihren früheren Klassenkameraden. Auch hier gilt: Sicherheit vermitteln. Die Familie ist der Ort der Sicherheit, der Geborgenheit. Hier wird untereinander noch deutsch gesprochen. Die Grundstimmung zum Leben im Gastland sollte positiv sein.
Warum hälst Du ein Coaching gerade für die Frauen für so wichtig und wie hast Du die Situation erlebt, als Du in Südafrika warst?
Nach der Euphorie teilen sich die Erlebniswelten der Familienmitglieder oft: der berufstätige Teil der Familie , – auch in der heutigen Zeit meistens noch der Mann (aber: langsam ändert es sich!) -, hat eine Beschäftigung, kommt nicht zum Nachdenken. Die Kinder gehen in der Schule meistens einen guten Weg, brauchen aber weiterhin Sicherheit.
Die Ehefrau allerdings hat keine Arbeitserlaubnis, hat nichts zu tun, sucht verzweifelt nach Sozialkontakten. Sie fällt oft in ein tiefes Loch, erlebt eine Phase der Krise. Spätestens jetzt ist Coaching angesagt, diese Menschen brauchen Hilfe. Wie oft habe ich meinen Mann verflucht, dass sein Job uns nach Südafrika ‚verbannt‘ hatte? So empfand ich das, vor allem im ersten Jahr.
Welche Empfindungen hast Du nach einigen Jahren, die Du nun wieder in Deutschland bist?
Was bleibt? Ein ewiger Drang nach Rausgehen, nach Unterwegs-Sein? Oder der Wunsch nach einem Zuhause? Beides stimmt. Aber das Gefühl, ein Weltbürger zu sein, das bleibt.
Vielen Dank für das interessante und vertrauensvolle Gespräch. Kennen Sie Familien, die im Ausland gelebt haben? Oder welche eigenen Erfahrungen haben Sie mit diesem Thema gemacht? Ich freue mich auf Ihren Kommentar!
Portraitfoto: Elisabeth Pfahler-Scharf, die Emotionsfotografin