Wie auch Sie Ihre indischen Geschäftspartner besser verstehen werden! Interview mit Manish Pandey

Vor einigen Wochen hatte ich die Gelegenheit, zusammen mit meinem Mann, ein sehr leckeres indisches Essen mit Manish Pandey, unserem ehemaligen Nachbarn einzunehmen. Bei verschiedenen Vorspeisen wie frittiertem Blumenkohl und der Hauptspeise bestehend aus Dal-Linsen, Butter Chicken und Paneer serviert mit Naan-Brot, bekamen wir Einblicke in die indische Kultur und seine Tätigkeit als Trainer für interkulturelle Kompetenz.

Manish, erzähl uns doch bitte etwas von Dir und Deiner Tätigkeit!

Ich lebe inzwischen seit 30 Jahren in Deutschland. Angefangen habe ich hier mit meinem Studium für Informatik in Aachen und habe anschließend viele Jahre in der IT-Branche als Entwickler, Projekt– und Sales Manager gearbeitet.

Seit 2013 bin ich als freiberuflicher Sales Consultant und Trainer für interkulturelle Kompetenz tätig.

13 : 18 Hochformat
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Du warst ja vor  kurzem erst wieder in Deiner Heimat. Erzähl mal von Deinen Eindrücken und wie es Indien geht. Wo genau bist Du gewesen?

Manish Pandey: Indien ist einfach phänomenal! Die Wirtschaft boomt. Man spricht von einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 7%, das Land zählt zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften, wie man in verschiedenen Quellen nachlesen kann. In einigen Bereichen sind es sogar 25%, in anderen eher weniger. Das Manufacturing und Heath Care wachsen gerade besonders stark. Man sieht das starke Wachstum in den Großstädten. Leider kann man die Spaltung der Gesellschaft zwischen denen, die am Wachstum teilhaben und denjenigen, die davon ausgeschlossen sind, nicht ignorieren.

Wir waren in Dehli, hatten die Gelegenheit am indischen Farbenfest teilzunehmen und sind dann nach Punjab weitergereist.

Wenn Du von Deutschland nach Indien reist: Was fällt Dir im Hinblick auf die Kommunikation unter den Menschen besonders auf?

Manish Pandey: Das Kommunikationsverhalten in Indien ist ganz anders als wir es hier gewohnt sind. Es ist ganz stark durch die kollektivistische Kultur geprägt. Im Gegensatz dazu ist die hiesige Kultur und auch die anderer westeuropäischer Länder von der individualistischen Kultur geprägt. Und das merkt man auch an der Kommunikation unter den Menschen, ob sie nun online oder offline miteinander zu tun haben. In Indien bekommt man die Identität durch seine Position und die Rolle, die man in der Gruppe spielt. Welche Rolle spielt man in der Gesellschaft, wen kenne ich, mit wem bin ich bei LinkedIn und Facebook vernetzt. Im Gegensatz dazu finden die Deutschen Identität über die Leistung, die sie bei der eigenen Arbeit leisten.

Familienwerte spielen in Indien eine besonders große und wichtige Rolle. Ich lebe zwar schon lange nicht mehr in Indien, aber ich habe eine enge Beziehung zu meiner erweiterten Familie, welche auf der ganzen Welt verteilt ist. Wir halten auch über die Entfernung sehr guten Kontakt. In meinem Blog-Artikel beschreibe ich, wie viele verschiedene Begriffe es im Indischen für die Beziehung zwischen den verschiedenen Verwandtschaften wie z.B. Tante und Onkel gibt. Das sagt doch alles: So wichtig sind familiäre Beziehungen in meinem Heimatland. Das Netzwerk bestehend aus Familie und Freunden ist in Indien riesig. Und es wird sehr aktiv und intensiv gepflegt.

In Indien gibt es keine Bekannte, man spricht immer von Freunden. Ein Arbeitskollege ist auch ein Freund. Man kennt die Geburtstage der anderen, fragt nach dem Befinden der anderen Familienmitglieder und kennt die Hobbys der Kinder des Arbeitskollegen. Die Firma ist auch die Familie, zumindest zu einem gewissen Teil. Man trennt weniger zwischen der Familie und dem Job. Wie ich schon angedeutet hatte, die Identität kommt durch die Rolle in der Hierarchie, durch die Position im Job. Das führt dazu, dass Arbeitszeiten verschwimmen, am späten Abend noch Mails geschrieben werden und man schwer von der Arbeit loslassen kann. Hierarchien sind wichtig, vor allem die eigene Position in der Hierarchie ist für das Individuum sehr bedeutsam.

Was fällt Dir auf, was die Online-Kommunikation in Indien angeht? Welche Medien sind dort besonders beliebt?

Manish: In meinem Umkreis werden die sozialen Netzwerke wie WhatsApp, Facebook sehr aktiv genutzt. Ich bekomme täglich Nachrichten per WhatsApp von meiner erweiterten Familie. Was ich auch auf meinen letzten Reisen beobachten konnte, Handys bzw. Smartphones sind überall. Sie werden sehr gerne, sehr viel genutzt. Sie werden benutzt, um mit anderen zusammen zu sein. Es wird gechattet und mehr telefoniert. Führen einige Leute in der U-Bahn ein Gespräch, wird parallel mit anderen getextet. Die Akzeptanz, dass ein Gespräch wegen einer Text-Nachricht oder Anrufes unterbrochen wird, ist in Indien viel höher. Wer angerufen wird, ist wichtig und hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Indische Geschäftsleute mit Auslandserfahrung wissen mit der Zeit, dass dies in anderen Ländern ggf. anders gesehen wird und passen sich dann auch an.

Auch die ältere Generation ist damit bestens vertraut und hat Spaß daran, zumindest in meinem engeren Umkreis. Natürlich kann ich nicht für das ganze Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern und mehr als 400 verschiedenen Sprachen sprechen.

Was kannst Du zum Kommunikationsverhalten der indischen Geschäftsleute sagen? Was sollten deutsche Geschäftsleute wissen, wenn Sie mit indischen Partnern kommunizieren?

Manish: Generell ist es so, dass es in Indien keine Privatsphäre, so wie sie hier in Deutschland gelebt wird, gibt. Beziehungen bei der Arbeit sind sehr wichtig, es entstehen schnell Freundschaften, was in Deutschland nicht immer der Fall ist und oft auch länger dauert.

Durch das Halten meiner Workshops habe ich verstanden, wie wichtig es ist, sich selbst zu verstehen, um die andere Kultur zu verstehen. Ich baue die Workshops daher so auf, dass es in 70% der Zeit um das Verständnis der eigenen Kultur und in 30% der Zeit um das Kennenlernen der anderen Kultur geht. Gerade Ersteres ist richtig schwer. Sich selbst zu betrachten, bringt einen oft in die Defensive: Es ist ein sensibles Thema. Was in Deutschland selbstverständlich ist, kann woanders ganz anders sein.

Daher sollte man sich fragen: Wie kommen wir als Deutsche bei der anderen Kultur an? Was macht unser Kommunikationsverhalten aus? Was ist für den Deutschen normal?

Nur wenn ich den anderen Partner wirklich gut kenne, seine Verhaltensweisen verstehe, kann ich mit ihm gewinnbringend kommunizieren und werde die feinen Signale eines „Neins“ oder das Zögern bei einem Geschäftstermin richtig interpretieren. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein indischer Geschäftspartner ein klares „Nein“, wie man es aus dem deutschen Kultur-Sinn kennt, von sich geben wird. Der deutsche Kommunikationspartner wird lernen müssen, die anderen Anzeichen richtig zu interpretieren. Kommunikation besteht nicht nur in der indischen Kultur aus dem Gesamtbild wozu neben der Sprache, die Körpersprache und der Tonfall gehören. Es heißt hier wirklich, lieber mehr Zeit in die Kommunikation zu investieren, als vorschnell und falsch zu kommunizieren.

Genau da setze ich auch in meinen interkulturellen Kompetenz-Trainings an. Ich lasse jeden seine eigene Kultur erstmal selbst verstehen. Die Länge der Trainings können den Bedürfnissen der Unternehmen angepasst werden. Idealerweise arbeiten wir länger zusammen und nach ca. 6-8 Wochen sollte der Integration Workshop zur Bildung und Festigung von Beziehungen stattfinden.

Wie schätzt Du die Social-Media-Nutzung der indischen Geschäftsleute ein? Wo kommunizieren sie gerne? Was ist anders verglichen zu den Deutschen?

Manish: Soziale Medien spielen eine sehr große Rolle in Indien. Es ist überwältigend, denn man sieht Smartphones überall. Facebook, WhatsApp, jeder nutzt es. Die Inder haben sehr schnell gelernt, die neuen Technologien zu nutzen, während andere Kulturen da allmählicher reingewachsen sind. Das ist sicherlich durch den enormen Wirtschaftsboom zu begründen. Es ging im Prinzip von 0 auf 100. Da das persönliche Netzwerk in der indischen Kultur einen so hohen Stellenwert hat, ist auch die Nutzung der sozialen Netzwerke extrem interessant für sie. Hier in Deutschland sind viele noch etwas zögerlicher. Man hat auch mehr Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Es gibt auch bei den jetzt 35-40-Jährigen genügend Leute, die weder auf WhatsApp noch auf Facebook anzutreffen sind. In Indien ist die Akzeptanz dieser Medien schon viel weiter fortgeschritten.

Manish, ich berate ja viele Kunden im Hinblick auf die Nutzung von LinkedIn in der internationalen Kommunikation. Indien ist mit 33,4 Millionen Mitgliedern das zweitstärkste Land auf LinkedIn, wie diese Statistik verrät. 

Die Wirtschaft entwickelt sich schnell weiter, neue Geschäftsbereiche entstehen, viele Inder sind auf Jobsuche und dank des internationalen Netzwerkes bietet sich LinkedIn als die ideale Plattform an, um sich zu präsentieren. Hier auf India Today gibt es auch Tipps, wie man sich für die Jobsuche dort besonders gut präsentieren kann. 

Bist Du auch auf LinkedIn und kannst Du auch bestätigen, dass in der indischen Business-Kommunikation LinkedIn das Netzwerk der Wahl ist?

Ich bin auf LinkedIn mit einem Profil vertreten und nutze das Netzwerk sehr gerne. Es ist in Indien das Netzwerk für die Business-Kommunikation, u.a. auch weil die Mobilität dort höher ist als in Deutschland und man somit mit seinen Kollegen und Geschäftskontakten besser in Verbindung bleiben kann.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke in die indische Kultur und das leckere Abendessen!

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